Auf Wiedersehen Amerika

Feature Film, 1994, Cannes Film Festival

Eine Produktion der Novoskop Film gemeinsam mit Pandora Film, ARTE, Casting S.F. und dem Westdeutschen Rundfunk.

Story

AUF WIEDERSEHEN AMERIKA erzählt die Geschichte einer ungewöhnlichen Reise. Nach dreißig Jahren Amerika zurück in die Heimat. Ob das gut geht? Von New York machen sich die Emigranten Isaak, sein Freund Moshe und dessen Frau Genovefa auf nach Polen. Alle drei in einem Boot, stranden sie in Deutschland, feiern Weihnachten in Berlin und landen am Ende doch noch in Polen. Aber da ist alles anders. Isaak findet eine Frau und Genovefa eine eigene Wohnung. Am Schluss sind alle für einen Moment happy: in Danzig die einen, in Brighton Beach die anderen.

Liebevoll und lakonisch wird in dieser Komödie die gar nicht immer so komische Odyssee der drei Menschen erzählt, die schon häufiger in ihrem Leben gestrandet sind. Der Zuschauer begleitet die Hauptfiguren durch drei Welten: die amerikanische, die deutsche und die polnische; gleichzeitig auch durch die jüdische, die protestantische und die katholische. Der Film handelt von einer wunderbaren Freundschaft, von neuer und alter Liebe und von kleinen Schlawinern …

In AUF WIEDERSEHEN AMERIKA ist das Leben eben so wie Moshes Jacke: auf der einen Seite von schäbigem Beige, auf der anderen knallrot.

Jan Schütte über AUF WIEDERSEHEN AMERIKA

Bei einem Spaziergang in Brighton Beach während einer New York-Reise lernte ich einige Emigranten kennen. Sie sprachen jiddisch, polnisch und deutsch durcheinander. Manche hätten sich um die ganze Welt geschlagen, um dem Dritten Reich zu entfliehen, aber alle hatten ein großes Sentiment für ihre Heimat behalten. Sie waren im gleichen Atemzug voller Angst und voller Sehnsucht, zu ihren Geburtsorten zurückzukehren. Aus den vielen Biographien, realen Erlebnissen und (irrealen) Träumen dieser Menschen ist die Geschichte des Films entstanden.

Die Figuren sollten kein glattes Amerikanisch sprechen, sondern so gebrochen, wie es ihre Lebensläufe sind. Deshalb wurden Schauspieler mit authentischem Hintergrund gesucht, die Erfahrungen mit Emigration, mit der Bedeutung des JÜDISCH SEINS und der Heimatlosigkeit hatten. Gedreht wurde an Originalschauplätzen in New York, Berlin und Polen. Die Unterschiedlichkeit dieser drei Welten wird durch die Filmmusik verbunden und zusammengeführt.

Manchmal kann einem das Leben vorkommen wie ein guter jüdischer Witz. Die Hauptfiguren sind von ungeheurem Humor geprägt, der niemanden verschont, schon gar nicht sich selber. Der Film erzählt vom Schicksal der Heimatsuche, ohne großes Aufheben, mit lakonischem Witz und oft märchenhafter Stimmung.

Crew

  • Regie / Jan Schütte
  • Drehbuch / Thomas Strittmatter, Jan Schütte
  • Kamera / Thomas Mauch
  • Licht / Helmut Prein
  • Ausstattung & Kostüm / Katharina Wöppermann
  • Maske / Marga B. Bergschmidt
  • Ton / Eckhard Kuchenbecker
  • Musik / Claus Bantzer
  • Schnitt / Renate Merck
  • Mischung / Michael Kranz
  • Regieassistenz / Gesche Carstens
  • Herstellungsleitung / Otto Grokenberger
  • Produktion / Jan Schütte, Martin Hagemann
  • Redaktion / Joachim von Mengershausen

Cast

  • Isaak Aufrichtig / Otto Tausig
  • Moshe Lustgarten / Jakov Bodo
  • Genovefa Lustgarten / Zofia Merle
  • Zofia Steinmann / Christa Berndl
  • Perlmutter / Ben Lang
  • Abe / Josh Mostel
  • Ziffer / George Tabori
  • Pfarrer Ladislaus / Aleksander Bardini
  • Wohnungsmakler / Henryk Bista
  • Verkäuferin im Taschenladen / Jessie Keosian
  • Verkäufer / Irving Lanchart
  • Schmul / Manny Jacobowitz
  • Mahatma / Ruben S. Hudson
  • Portier / James Lally
  • Malgoscha / Isabell Łaskowska
  • Schiffsoffizier / Stanislaw Michalsky
  • Sam / Josh Kornbluth
  • Edith Beleith

Critic

Heimat ist stets anderswo: Jan Schüttes Film AUF WIEDERSEHEN AMERIKA

Auf Farbe und Design scheint die korpulente Kundin wenig wert zu legen. Die gesuchte Handtasche müsse vor allem so groß sein, daß ein Ziegelstein hineinpasse, erklärt sie der verdutzten Verkäuferin. Im Lager findet sich solch ein Monstrum, flaschengrün. Befriedigt zieht die Kundin von dannen. »Willkommen in Amerika!« ruft ihr die Ladenbesitzerin nach: Da sei sie schon seit dreißig Jahren, entgegnet die Kundin in ihrem immer noch polnisch und jiddisch gebrochenen Englisch.

Das köstliche Sprachmischmasch zeichnet Jan Schüttes Film AUF WIEDERSEHEN AMERIKA aus – und die fast zärtliche Hinwendung zum Detail: daß die Riesentasche wie gemacht ist für Genovefa Lustgarten in ihrer runden Leibfülle, daß die Verkäuferin, eine gebeugte und verhutzelte alte Dame, wie zum Inventar ihres Ladens in Brighton Beach zu gehören scheint, und so immer weiter in einem wunderschön lakonischen, bei aller Schwermut nie sentimentalen Film, der von jüdischen Emigranten in New York und damit von der Überlebenskunst Entwurzelter erzählt, ein Stück Kinofiktion mit dokumentarischem Ansatz, Menschenbeobachtung vom Feinsten. Irgendwann wird sich der Ziegelstein als Dollarbündel herausstellen, für dreißig Jahre redliches Putzen erworben. Zu dem Zeitpunkt sind Genovefa, ihr Mann Moshe und dessen Kumpan Isaak Aufrichtig längst mitten in einer Odyssee, die sie, allezeit eher Gestrandete als planvoll Reisende, über Berlin, wo sie unbehaust das Weihnachtsfest verbringen, bis ins Land ihrer Hoffnung, nach Polen, führt.

Eigentlich hätte Isaak die Wohnung des Ehepaars Lustgarten hüten, die Katzen füttern und die Blumen gießen sollen. Vor nichts graust es ihm mehr als vor der Enge eines Schiffs. Wie er das aushalten wolle, fragt Isaak seinen Freund, zwei Wochen mit dessen dominanter Frau in einer Schiffskabine, worauf Moshe entgegnet, er habe Sibirien überlebt, da werde er auch das überstehen. Aber dann muß Isaak umständehalber selber Reißaus nehmen, auf der Flucht vor einem Missverständnis, das ihm die Polizei auf den Hals hetzte.

Polen freilich kann der in dreißig Jahren genährten Illusion nicht standhalten. »Früher«, sagt Genovefa, »war Amerika drüben und zu Hause hier. Und jetzt ist alles anders.« Daß die Figuren, die Heimat immer dort suchen, wo sie gerade nicht sind, an allen Orten fremd bleiben müssen, ist für den Autor Thomas Strittmatter, der mit Schütte zusammen das Drehbuch schrieb, die Quintessenz einer Geschichte, die viel mit Ellipsen arbeitet und damit die Phantasie des Beschauers anregt, die bewußten Sprünge zu kitten. Nichts muß bleiben, was es auf den ersten Blick scheint – wie Moshes erdfarbener Blouson, der gewendet unversehens mit einem kräftigen Rot ins Bild knallt. Solche Farbtupfer fallen auf, weil Thomas Mauchs Kamera zurückhaltende Einstellungen bevorzugt, in denen Kälte, Leere und Unbehaustheit greifbar werden. Die Konzentration gehört ganz den Figuren, nur wenn sie sich Bewegung erlaubt sich die Kamera auch eigene Bewegungen. Bei einem Ensemble, wie Schütte es sich suchte, wird solch visuelles Sichbescheiden geradezu zur Pflicht. Otto Tausig charakterisiert seinen Isaak als Kauz mit soviel Charme, daß er am Ende in Polen gar eine Gefährtin findet, die er mitnimmt zurück nach Amerika; Jakov Bodos Moshe, der kleine Mann der großen Genovefa, ist die Chuzpe in Person; und wie Zofia Merle als Matrone die Männer beherrscht und sich doch weich beim Tanzen wiegen und drehen kann, daß muß man gesehen haben.

Hans-Dieter Seidel, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, 30.04.1994

Auf Wiedersehen, Amerika

Nach DRACHENFUTTER (1987) und WINCKELMANNS REISEN (1990) richtet Jan Schütte auch in seinem dritten Spielfilm auf melancholisch-amüsante Art einen Blick auf Menschen, die auf der Suche nach der inneren und äußeren Heimat sind. Diesmal entführt er den Zuschauer ins jüdische Emigrantenviertel am Strand von New York, in dem der Klempner Moshe, seine Frau Genofeva und der Buchhalter Isaak in bescheidenen Verhältnissen leben.

Genofeva zieht’s zu Weihnachten in die alte Heimat Polen, also hebt sie ihr ganzes Vermögen ab und kauft zwei Schiffskarten. Isaak soll derweil die Katzen füttern, sitzt aber plötzlich mit in der Kabine, weil er die Polizei wegen seines windigen Jobs auf seinen Spuren wähnt. Über einen Zwischenstopp in Berlin erreicht man Polen, wo Isaak Sofia kennenlernt, mit der er zurück nach Amerika geht, während Moshe und Genofeva ihren Traum vom eigenen Haus in Polen verwirklichen …

Jan Schütte ist auch hier seinem poetisch-dokumentarischen Inszenierungsstil treugeblieben, bezieht seinen (jüdischen) Humor aus dem Witz der Dialoge (»Wenn ich aufmache Beerdigungsinstitut, die Leute werden aufhören zu sterben«) und der genauen Beobachtung alltäglicher Situationen.

Sein elliptischer Erzählstil spart Nebensächlichkeiten und »Füllszenen« aus, konzentriert sich immer auf die Personen, die unaufdringlich, ja geradezu liebevoll portraitiert werden. Die »natürliche« Lichtsetzung und die stimmungsvolle Farbdramaturgie von Kameramann Thomas Mauch verleihen dem Film seinen atmosphärischen Reiz. Hinzu kommt die Darstellungskunst der vitalen Sofia Merle und ihres gewitzten (Film-)Ehemanns Jakov Bodo, die bezeichnenderweise den Familiennamen LUSTGARTEN tragen.

Der Burgschauspieler Otto Tausig, der dem hintergründigen Humor von Isaak mit seiner prägnanten Physiognomie auch eine optische Entsprechung gibt, gehört zweifellos zu den Entdeckungen des deutschen Films.

AUF WIEDERSEHEN, AMERIKA ist ein Glücksfall für das deutsche Kino. Hoffentlich müssen wir nicht wieder drei Jahre auf Jan Schüttes nächsten Film warten.

Rolf-Ruediger Hamacher, FILMECHO